Liebes Archiv … Einträge vom März 2007

Industrie-Romantik.

[] Niruga Parand / Freitach, 29. März 2007

Ein gesegnetes 1386.

n einem normalen, heimischen Arbeitsplatz mag es in Ordnung sein, einen Leerlauftag oder zwei oder drei zu schieben, weil die Arbeit rar ist oder wasauchimmer, wenn ich aber irgendwann mal hier weg wollen will und es kürzlich schon mal ganz gut aussah, ist das ein eher unbefriedigender und in keiner Weise beruhigender Zustand. Just habe ich den Heimflug wieder einmal umgebucht, Aufschub um einen Monat, bitte keine Fragen mehr wann ich denn zurückkehre, es nutzt nix, ich hab keine Antwort, vielleicht der Herr Allah oder der Herr Zarathustra, letzterer wäre für den derzeitigen Leerlauf verantwortlich zu machen, denn außer der Nase und dem Regen durch die verbogene Traufe läuft hier nix dank vorsintflutlicher Zeitrechnung, die seit dem einundzwanzigsten diesen Monats das Jahr dreizehnhundertsechsundachtzig vermerkt. Haltbarkeitsdaten auf Lebensmitteln und Angaben auf Rechnungen sind für uns immernoch böhmische Dörfer. Kann man sich in dieser globalisierten Welt noch eine eigene Zeitrechnung erlauben? Offensichtlich. Was sagen die fünfzehn Matrosen dazu? Keiner kann sie fragen.

[] Parand / Dienstach, 27. März 2007

Die spinnen, die Araber!

Beängstigende Prozeduren - Aller Laster Anfang
Auch wenn man es mir natürlich nicht ansehen kann, geht es mir nicht besser als den anderen Reisenden, bin ja keiner dieser allseits gescholtenen Vielflieger und habe seit sieben Monaten in keinem Flugzeug gesessen.
Ich fühle die zitternde Menge, bilde mir wenigstens ein, das alles in ihren verschreckten Augen zu lesen, ihre Vorfreude, das enge Land zu verlassen und Angst, daß vorher noch was dazwischen kommt (Republikflucht ist ne ernste Sache) als auch die Anstrengung mit der sie das zu verbergen suchen. Ewig dauert die Abfertigung der iranischen Familie vor mir am Schalter, bei mir ein paar Minuten. Nochmal zittern an der Paßkontrolle, ich muß nicht diesen weißen Wisch abgeben und trotzdem drückt die Atmosphäre auch meinen Puls aufwärts. Am Flugsteig kann ich endlich wieder runterkommen, schaue auf den verschneiten Elbrus und den Damavand, dessen Spitze gerade im Smog Teherans ersäuft.
Warum tue ich mir den Streß an? Es war nicht meine Idee, ich bin dazu gekommen wie eine Jungfrau zur Enkelin. Und nun steige ich in den Flieger nach Dubai, um viel zu kurze fünf Tage zu urlauben. Weder halte ich viel vom Poser-Emirat noch davon, aus meinem Trott auszubrechen. Aber was soll's.
Schnelle Schnitte - Vom Wadi ins Nachtleben
Nach weniger als zwei Stunden wird gelandet, zaghaft fliegen die Kopftücher. Es folgt der Einzug ins Hotel und die Besichtigung des Kiezes, denn das erste Bier wird erst nach sechs serviert. Abendessen mit Bier und französischem Rotwein. Dann die erste Inspektion der emiratischen Freizügigkeit - ja, es gibt sie, aber spätestens um drei machen die Läden dicht. Aufwachen nach kurzer Nacht, denn das Frühstück wartet nicht. Schaufensterbummel in den tollsten Einkaufstempeln wo gibt - ermüdend und langweilig in Zeiten der Globalisierung. Abendessen im Souk Medinat Jumeira, des wohl größten synthetischen und aufwendigsten originalgetreu nachgemachten nie dagewesenen Schaubasars der Welt mit eingebautem Hotel. Grandiosester Ausblick über beleuchtete Windturm-Attrappen auf das Segel mit dem Schraubhuberlandeplatz. Danach stürzen wir uns wieder ins Nachtleben und holen Diverses nach.
Ist es die halbe Stunde Zeitverschiebung oder simpler Schlafentzug, der mich schwächt? Usbekische Influenza? Am nächsten Tag besteigen wir unseren Mietwagen und gehen auf die Suche nach den Felsen-Pools in Hatta, weit außerhalb der stickigen Stadt, aber ohne Karte (beliebter Spruch: out of stock) fahren wir soviel im Kreis, daß uns schwindelig wird. Wenigstens das Wadi ist da, immer an unserer Seite, so testen wir die Tauglichkeit des Vehikels in Schotter und Wasser, kleine Herausforderungen inbegriffen. Auf dem Rückweg verschnaufen wir im Hatta Fort Hotel, hier vergißt man jede Hektik. Noch eine Tour durch die Hochhausschluchten und schon tauchen wir ab ins Nachtleben.
Die Wüste ist weg - weit weg
Nach dem Frühstück entscheiden wir dann, das Auto noch einen Tag zu quälen und machen uns auf den Weg, die Wüste zu durchpflügen. Aber erst mal rauskommen aus dem Moloch! Eine Stunde mindestens kostet uns der mittlerweile übliche Dauerstau in Dubai, aber als der uns auf der anderen Seite der Bucht endlich ausspuckt, sind wir am Strand und legen uns erstmal in den Sand. Wegen des Windes sind nur wenige Bikinis hier, aber es gibt sie!
Nun noch ein Stück Wüste finden! Dieses Ruhrgebiet für Reiche frißt sich immer weiter in die Landschaft, daß wir nur zufällig einen Zugang zu unbebauten Dünen entdecken, aber dann geht's los, die anderen Räder zugeschaltet und Gas! Wir sehen auch eine Karawane von diesen Alles-Inklusiv-Touren in der Ferne, doch sie flieht schnell.
Eine Dromedar-Farm lädt uns zum Fotografieren ein, viele Jungtiere und ein frisch Geschlüpftes sind da, die Mamas wachen aufmerksam. Auf dem Rückweg wieder Stau - wie groß soll dieses Wüstenimplantat noch werden? Es ist Wochenende - die Emirate haben ihres auf Freitag und Samstag umgestellt! - und am Retorten-Souk ist die Hölle los, Wartezeiten auf einen Tisch in einem der zahlreichen Restaurants fünfundvierzig Minuten - im einzigen Lokal das keinen Alkohol ausschenkt finden wir dann ausreichend Platz. Das örtliche Trader-Vics, schon aus Bahrain als interessant dekoriert aber spießig-langweilig bekannt, reicht uns nicht, wir ziehen woanders hin. Der letzte Abend bricht aus.
Was soll nur werden?!
Ich verschlafe das letzte Früstück und packe den Rucksack. Ich bin froh daß, es zuende geht und brauche erstmal Urlaub. Beim Einsteigen in den Flieger sehen die Mädels noch normal aus, beim Aussteigen geht der Streß wieder los, Papa ist nahe dem Herzkapser, bloß unbehelligt raus hier. Die trostlose Mullah-Republik hat uns wieder. Parand, wir kommen. Jetzt erstmal Schlaf nachholen und trotzdem die Erinnerungen wachhalten.

[] Dubai / Freitach, 23. März 2007

Alles von vorne.

Das Wetter hat sich noch nicht endgültig über den Kurs entschieden, aber die Richtung scheint klar: der Sommer kommt mit großen Schritten ins Tal marschiert. Das Quecksilber klettert gegen zwanzig Grad, die Winterjacke wandert jetzt in die Wäsche und kann ein paar Monate lang trocknen. Die kaputtgefrorenen Klimaanlagen sollten jetzt repariert werden, die Heizung bleibt aus und der kratzige Braune wird nun ohne Vorwärmung verschluckt. Das scheinbar nahende Ende meines Aufenthaltes ist unvermittelt wieder in die Ferne gerückt.
Ein Gitte Haenning-Titel würde wieder gut als Überschrift passen, dennoch leuchtet mir ein kleines Licht, aber von dem erzähl ich erst, wenn es wieder ausgeblasen ist. Dranbleiben.
Das Land bereitet sich lautstark und eifrig auf das zarathustrische Neujahr vor, fünfzehn Feiertage am Stück! Vorvorgestern abend ging es in Parand zu wie bei uns an Silvester. Zum Glück war der Vorrat an Feuerwerk früh aufgebraucht, aber auch spät noch wurden mancherorts heidnische Riten wie das Springen übers Feuer vollführt. Teheran ist jetzt leergefegt, wiedermal Zeit, versprengte Verwandte zu nerven.

[] Parand / Freitach, 16. März 2007

Alles Gewöhnungssache.

anchmal wurdert man sich, worüber man sich so alles garnicht mehr wundert. Meist wundert man sich darüber aber schon garnicht mehr. Schuld daran ist die Gewohnheit.
Ich hab mich mal wieder daran gewöhnt, fünf Minuten vorm Hosenknopp aufzustehen und das Frühstück ausfallen zu lassen - das wichtigste Mahl des Tages! Dafür ziehe ich das zweite Frühstück vor und verputze im Büro zu meinem Pfeffi-Tee täglich eine Banane und eine Apfelsine - wenn das nix is! Und wer hätte gedacht, daß man sich an eine Sechstagewoche mit einem Freitag, der seinen Namen verdient, gewöhnen kann?! Am neuen Montag kommt Wetten dass? und am Dienstag dann der Tatort, aber Fernsehen hab ich mir sowieso abgewöhnt.
Die Gewöhnung daran, daß mir jemand das Bett macht - wenn auch nicht so wie ich es gern hätte - wird niemanden erstaunen und gern würde ich mich auch daran gewöhnen, daß sich Abwasch und Wäsche von allein machen, soweit geht die iranische Gastfreundschaft aber nicht. Daß man mir ungefragt die Bude umräumt, daran kann ich mich aber nicht gewöhnen.
Hirnlose Autofahrer, die jeden Morgen auf Kollisionskurs gehen, das macht mir kein Herzrasen mehr, auch nicht mein schnarchnasiger Fahrer, der doppelt so lange für den Weg braucht und daß alle Kollegen uns überholen, läßt mich kalt.
Inzwischen habe ich auch einen stattlichen Anteil der im weltweiten Umlauf befindlichen Sanitärkeramiken studiert und so erstaunt mich die Gebrauchsanweisung über den hiesigen Kloschüsseln auch nicht mehr:
Spülknopf solange drücken, bis die Schüssel fast voll ist - Sie werden sehen, es funktioniert!

[] Parand / Sonntach, 11. März 2007

Die Steppe blüht.

[] Steppe Parand / Freitach, 09. März 2007

Das Schwein wird flügge.

Der Haare sind genug gerauft, der Nachwuchs fehlt,
Das junge Eisenschwein entwächst den Windeln.
Schon wird es von der Nestwärme entwöhnt, es wehrt sich noch,
die Kunststücke die es gelehrt, sie klappen schon,
doch Kopfschmerz hat es einigen bereitet,
manch hohes Ziel scheint unerreichbar fern.
Nicht Flehen oder Schimpfen hat genützt,
nicht harte Hand noch liebevolles Kosen,
das Eisenschwein bleibt ein Mysterium,
scheint überschätzte Diva und braves Arbeitstier zugleich.

Das kleine Latinum längst zu Ende, die Mittel ausgeschöpft
und keiner konnte ihnen helfen, noch gestand es einer ein.
Lange haben sie mit sich gehadert, keine Ruhe gefunden,
die Schuld bei sich gesucht, denn keiner wollt sie haben,
haben ständig unter Strom gestanden, sich damit arrangiert,
immer die Hoffnung gehegt, daß es doch noch gut ausgeht.
Haben dem Tier in seinen schwersten Stunden beigestanden,
es hochgepäppelt und auf eigene Füße gestellt,
es hinkt ein kleines bißchen, doch hat es keinen Buckel,
wer kann es besser machen, der trete vor und sag es laut.

Doch keiner hört mehr zu, will Klagen oder Fragen hör'n,
die Sesselfurzer atmen auf sobald die Unterschrift geleistet ist,
Das Schulterklopfen und das dumme Lachen kennt man schon,
aller Unbill scheint vergessen und reine Glückseligkeit zieht ein,
nichts haben sie verstanden und werden es beim nächsten Mal genauso machen.

Und dann, wie immer unerwartet, fällt er in ein tiefes Loch,
Dienst nach Vorschrift gab es für die Mannen nicht,
gelangweilt im Kontor zu hocken war nicht drin,
nun sitzt er da, versucht sich zu erinnern was war,
um Zeugnis abzulegen und sich zu erklären,
gleichwohl, ihm schwirrt der Kopf, kann kaum es glauben,
soll es nach all der Zeit so plötzlich doch zu Ende sein?
Mit Ärger und Erleichterung denkt er daran,
daß all das Blut und all der Schweiß alsbald vergessen sind.
Doch blickt im Groll er nicht zurück,
Augen nach vorn auf's nächste Ziel,
ausgeruht mit neuer Kraft als wäre nichts gewesen.

[] Parand / Freitach, 09. März 2007

Ski heil.

Ziemlich beschissen sind die Aussichten, grau verregnet der Morgen, da fällt das frühe Aufstehen nach der Feier im illustren Kreise - ausländische Prominenz aus ganz Parand war angereist - noch schwerer. Beim Anstieg auf den Elbrus hinter Teheran aber geht der Baran in Barf über, nur die Sonne bleibt verschollen. Der Mann auf der Ladefläche des Lastwagens streut wie ein Capri-Fischer in weitem Bogen Sand auf den Neubarf und wir beginnen an unserer Mission zu zweifeln, weil die mit Skiern und Barfboards bepackten Autos uns immer nur entgegenkommen, keines aber in unsere Richtung zu fahren scheint. Die Straßen in den Bergen sind nun verdammt lädiert, wenn Barf sich über sie legt, ist das sehr gnädig von ihm. Und als wir das Ende des geräumten Straßenabschnitts erreichen, ist klar warum viele umkehren mußten: keine Barfketten an Bord. Das entlockt uns nur ein kühles Lächeln, ein wenig stolz legt Mo die niegelnagelneuen deutschen Ketten an und wir lassen die Hasardeure auf Sommerreifen lässig hinter uns. Der Neubarf kam wohl doch zu überraschend.
Halb im Scherz necken wir den lieben Mo mal wieder, er solle diesmal auch auf die Bretter steigen - er sträubt sich merkwürdigerweise kaum, dann probiert er auch noch Skischuhe an und zaubert eine Skihose hervor - nanu!
Wolken liegen über der Piste, ohne Brille nur blendendes Weiß, ich habe mein Wedeltraining vernachlässigt und zweifle an meiner Kondition. Es barft weiter und wir stürzen uns mit erstaunlich zahlreichen anderen den Hang hinunter. Ganz unten im Tal reißt die Wolkendecke etwas auf und das Blau stiehlt sich durch. Wir fangen an zu schwitzen. Die Pisten sind noch nicht geräumt und ich übe ausgiebig das Stürzen im Tiefschnee. Mo macht mit einem Skilehrer die erste Abfahrt seines jungen Lebens.
Wir wedeln und wedeln, meist weiter unten, da nicht alle Lifte in Betrieb sind und sich oben die Wolken festgefahren haben. Was man eben so macht. Gegen halb vier haben wir genug und machen uns auf den Rückweg. Die Straße ist inzwischen freigeschmolzen und metertiefe Schlaglöcher gähnen überall, an manchen Stellen liegen sogar frisch gefallene Felsbrocken. Und immer öfter beschleicht mich das bedrückende Gefühl, nichts mehr zu erzählen zu haben.
Wir fahren an einem gefrorenen Wasserfall vorbei und müssen nochmal anhalten, weil Mo schonwieder eine Bremsbacke wechseln muß, aber das kennen wir ja. Der Rückreiseverkehr hält sich in Grenzen, so sind wir, geschafft aber glücklich, endlich mal wieder Barf statt Salz geschmeckt zu haben, bald in der Steppenmetropole zurück. Es prickelt im Gesicht, der erste kleine Sonnenbrand des Jahres kündigt sich an. Wir versuchen, meine gut durchgezogenen Salate vom Vorabend zu vernichten, müssen aber vor Vollendung kapitulieren. Aber ein Film auf Großleinwand paßt noch rein.

[] Dizin / Freitach, 02. März 2007

...und hier geht's weiter in die Vergangenheit.